WeltenFrauen: Arezoo, 31 Jahre, aus dem Iran
„Ich hoffe, irgendwann kommt der Moment, wo die Freiheit den Preis der Einsamkeit wert war.“
Die Santur ist ein klassisches persisches Musikinstrument mit 72 Saiten. Als ich es mit 18 Jahren zum ersten Mal spielte, verlor ich mein Herz daran. Ich entschied, klassische persische Musik zu studieren und nahm dafür viele Strapazen in Kauf.
Ich bin in Isfahan geboren und aufgewachsen. Es ist eine atemberaubend schöne, aber auch religiöse Stadt. Im Iran ist es schwierig, von der Musik zu leben und als Frau ist es noch schwieriger, denn wir dürfen nur unter Vorgaben auftreten, wenn wir überhaupt...
auftreten dürfen. Ich war eine sehr erfolgreiche Santur-Spielerin, so erfolgreich, dass ich mehrfach Auftritte in Europa hatte, einige davon auch in Deutschland. Und mit der Zeit wuchs der Wunsch, nicht nur wie im Iran zu unterrichten, sondern auch als Musikerin auf der Bühne zu stehen. Und ich sah diese Möglichkeit nicht für mich. 2016 entschied ich deshalb, von einem Auftritt in Deutschland nicht mehr zurück in den Iran zu fliegen.
Es war eine sehr schwere Entscheidung. Und es wurde eine noch schwerere Zeit. Es ist nicht leicht, ein erfolgreiches Leben aufzugeben, mehrere Monate mit vielen Menschen in einem Zimmer eines Asylantenheims zu verbringen und sich alles als alleinstehende Frau vom Nullpunkt wieder aufbauen zu müssen. Ich weiß, dass es eine freiwillige Entscheidung aus Liebe zu meiner Musik war. Aber oft, wenn ich einsam bin, wenn mein Herz sich nach meiner Familie und meiner Heimat sehnt, weiß ich nicht, ob ich heute wieder auswandern würde.
Das hat überhaupt nichts mit den Deutschen zu tun. Ich habe sehr nette, hilfsbereite Menschen um mich. Der Unterschied ist, dass ich mich im Iran auf meinen Weg konzentrieren konnte. So schwer die Umstände manchmal waren, so hatte ich doch ein Leben, eine Unterkunft, eine Familie. Hier habe ich die Freiheit, meine Musikerkarriere zu verfolgen, ohne Angst, dass es mir verboten wird. Aber ich habe niemanden, auf den ich mich verlassen und dem ich wirklich vertrauen kann. Und das macht mich im Inneren einsam. Das soll keinesfalls undankbar klingen. Zum Beispiel bin ich Freunden wie Murat Coskun, dem Veranstalter des Tamburi Mundi Festivals Freiburg, sehr dankbar, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand.
Und mit meiner Musik verbinde ich auch die Kleidung. Das traditionelle Kleid hat keine tiefe kulturelle Bedeutung. Aber mich erinnern die Muster an Isfahan, an meine Kindheit. In dieses Kleid zu steigen, berührt mein Herz jedes Mal.
Vielleicht wird das Gefühl der Einsamkeit im März 2020 besser, wenn ich einen neuen Antrag stellen und hoffentlich umziehen darf. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann der Moment kommt, an dem die Freiheit den Preis der Einsamkeit wert war. Wie soll ich auch? Schließlich bedeutet mein Name genau das. Und vielleicht ist das auch etwas, das einen für immer prägt.
Infos zur Ausstellung: weltenfrauen.com
Die Fotos können auch käuflich erworben werden: www.ellenschmauss.de
Text: Arezoo
Foto: Ellen Schmauss
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