Emriye Gül
  • Fachpflegekraft für Anästhesie und Intensivmedizin
  • arbeitet als Praxisanleiterin auf einer Intensivstation der Uniklinik Freiburg
  • Berufsbegleitendes Studium der Pflegewissenschaften an der Universität Freiburg (monentan pausierend, durch das Nachrücken in den Gemeinderat)
  • geschieden, keine Kinder
  • lebt seit 44 Jahren in Deutschland
  • Geboren vor 49 Jahren in der Nähe von Trabzon, einer Stadt an der Nordost Küste der Türkei. (Die allermeisten kennen den Ort aus dem Fußball. Trabzonspor ist einer der vier großen Clubs der Türkei.)
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten: hat sich in verschiedenen Bereichen engagiert. In unterschiedlichen Organisationen im Frauenzentrum, als Dolmetscherin bei Asylverfahren, im Kommunalen Kino, seit 2018 Mitglied der GAF und seit 2020 im Vorstand.
  • Hobbys: Joggen, Reisen, Kino

UF: Sie sind erst seit zwei Jahren in der kommunalen Politik tätig. Was hat Ihr Interesse geweckt sich politisch zu engagieren?

Emriye Gül: Die Chance, Veränderungen mit anstoßen zu können und somit einen direkten Einfluss auf...

die Stadtpolitik zu haben.

UF: Vor kurzem sind Sie für Monika Stein in den Gemeinderat nachgerückt. Was sind Ihre politischen Schwerpunkte? Und welche konkreten Ziele wollen Sie in Ihrem Amt verfolgen?

Emriye Gül: Vor allem ist es mir wichtig, dass alle eine faire Chance haben sich in die Gesellschaft einzubringen, unabhängig von der Herkunft, Religion, Geschlecht oder Einkommen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht einfach ist.
Ein möglicher Zugang hierfür kann Bildung sein. Dafür werde ich mich u.a. im Schul- und Weiterbildungsausschuss einsetzen.
Einen weiteren Schwerpunkt meiner politischen Arbeit sehe ich in der Umsetzung der Forderungen des Fuß- & Radentscheids für eine tatsächliche Verkehrswende in Freiburg. Diese gibt ein positives Signal in Richtung Umwelt- und Klimaschutz. Desweiteren könnte sie helfen, die angestrebten Ziele der Stadt, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 60% zu senken, zu erreichen und die Stellung als „Green City“ zu konkretisieren.
Die Pandemie hat uns letztes Jahr kalt erwischt. Die vielen Einschränkungen in allen Bereichen des privaten und beruflichen Umfeldes haben vielen Menschen Enormes abverlangt. Die dadurch nachvollziehbaren Existenzängste, so auch im Kulturbereich, dürfen wir nicht vergessen. Die Kultur darf der Pandemie nicht geopfert werden! Diese gilt es nunmehr zu unterstützen.
Die Haushaltsverhandlungen, denen ich das erste Mal beiwohne, stehen in den nächsten Wochen an und ich erahne jetzt schon, wie schwierig sie sich gestalten werden.

UF: Sie sind in der Uniklinik in der Pflege tätig. Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Emriye Gül: In meiner Jugend konnte ich mir sehr viele Berufe vorstellen, in denen ich gerne arbeiten wollte. Der Gedanke, in der Pflege zu arbeiten, kam allerdings nie vor.
Es gab in meinem privatem Umfeld ein auslösendes Ereignis, welches mich nachhaltig geprägt hat und mich zu der Entscheidung führte den Pflegeberuf zu erlernen.

UF: Die Corona- Pandemie trifft vor allem das Gesundheitssystem und stellt es auf die Probe. Was sind Ihre Beobachtungen dazu? Welche Maßnahmen erachten Sie als notwendig?

Emriye Gül: Tatsächlich hat die Pandemie all die Probleme aufgezeigt, die wir in der Pflege Arbeitenden schon lange bemängelt haben. Diese Problematik wurde jetzt noch verschärft.
Eine seit Jahren falsche Personalpolitik führte zum kontinuierlichen Abbau von Pflegepersonal bei gleichzeitig steigender Arbeitsbelastung. Daraus resultierten unterbesetzte Schichten kombiniert mit einem verhältnismäßig geringem Verdienst und der fehlenden Wertschätzung für diese gesellschaftlich wichtige Arbeit.
Plötzlich ist die Pflege „systemrelevant“?
Alle reden darüber wie wichtig „wir“ und unsere Arbeit ist. Es wird geklatscht, es wird gespendet, es wird darüber diskutiert, dass sich etwas ändern muss. Dann gibt es einen Corona Bonus für die Pflegenden. Aber nicht für alle!
Die Maßnahmen ergeben sich durch die Problematik. Es ist hinreichend bekannt, wo die Stellschrauben sind. Wir brauchen mehr Personal. Um mehr Personal akquirieren zu können, braucht es gute Rahmenbedingungen und Werbemaßnahmen, aber nicht in Form der etwas seltsam anmutenden Miniserie „Ehrenpflegas“, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgebracht hat.
Ein Umdenken muss stattfinden. Wir brauchen eine starke Stimme. Es gibt ca. eine Millionen Pflegekräfte in Deutschland. Wenn wir uns unter einem Dachverband, z.B. in Form einer Pflegekammer oder eigenen Gewerkschaft, organisieren würden, hätten wir meiner Meinung nach die nötige „Schlagkraft“. Pflege gibt es nunmal nicht umsonst.

 UF: Halten Sie Ihr Amt für eine Chance als Pflegefachkraft in der Politik etwas zu verändern? (bessere Bezahlungen, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Anerkennung…)

Emriye Gül: Ich halte mein Amt für eine Möglichkeit mir Gehör zu verschaffen.
Ich könnte mir vorstellen, als Bindeglied zu den vielen unterschiedlichen Berufsverbänden zu fungieren. Auf jeden Fall möchte ich mich mehr berufspolitisch engagieren.
Es braucht sehr viel mehr „Pflegende“ um wirklich etwas verändern zu können. Vor allem aber braucht es einen politischen Willen. Diesen politischen Willen sehe ich nur bedingt in der Pandemie auflodern.

UF: Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft?

Emriye Gül: Ich wünsche mir, dass die Profession der Pflege den Stellenwert in unserer Gesellschaft bekommt, den sie verdient!

UF: Welchen Rat würden Sie anderen Frauen geben, die auch etwas erreichen wollen?

Emriye Gül: Ich würde ihnen mit auf den Weg geben, den Glauben an sich selbst und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren!

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!

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